Mündliche Ergänzungsprüfung: Alles, was Fachwirte wissen müssen

Falls Sie bei der Prüfung der Wirtschaftsbezogenen Qualifikationen in einem der vier Fächer durchgefallen sind, erhalten Sie in der Regel die Chance auf eine mündliche Ergänzungsprüfung, auch Nachprüfung genannt. Diese Option kann für einige Prüfungsteilnehmer verwirrend sein, daher haben wir hier alle wesentlichen Informationen für Sie zusammengestellt.

Inhaltsverzeichnis

Wann kommt es zur mündlichen Ergänzungsprüfung?

Warum die mündliche Ergänzungsprüfung für viele einfacher ist

Falls Sie in einem Prüfungsfach eine Leistung zwischen 30 und 49 Punkten erzielen, haben Sie die Option, in diesem Fach eine mündliche Ergänzungsprüfung abzulegen.

Allerdings, wenn mindestens zwei Fächer nicht bestanden wurden oder Sie in einem Fach weniger als 30 Punkte erzielt haben, dann ist eine mündliche Ergänzungsprüfung nicht mehr möglich. In diesem Fall müssen die nicht bestandenen Fächer schriftlich wiederholt werden.

Ist die Teilnahme an der mündlichen Ergänzungsprüfung verpflichtend?

Nein, die Teilnahme ist völlig freiwillig. Wenn Sie jedoch die Voraussetzungen für die mündliche Ergänzungsprüfung erfüllen, werden Sie ein Anmeldeformular zusammen mit den schriftlichen Prüfungsergebnissen erhalten. Falls Sie von dieser Option Abstand nehmen möchten, teilen Sie es der IHK über das gleiche Formular mit. Danach bekommen Sie Informationen zur schriftlichen Wiederholungsprüfung.

Welche Kosten sind mit der mündlichen Ergänzungsprüfung verbunden?

Glücklicherweise ist die mündliche Ergänzungsprüfung bereits in der Prüfungsgebühr für die schriftliche Prüfung enthalten. Es entstehen keine zusätzlichen Kosten.

Und keine Sorge: Diese Prüfung zählt nicht als weiterer Versuch. Falls Sie nicht bestehen, haben Sie immer noch die Option, die schriftliche Prüfung zu wiederholen.

Wie läuft die mündliche Ergänzungsprüfung ab?

Die Prüfung wird relativ kurz sein, zwischen 10 und 20 Minuten (je nach IHK). Ein Prüfungsausschuss aus drei Prüfern wird anwesend sein. Die Fragen können sich auf alle Aspekte des betreffenden Prüfungsfachs beziehen, und es wird im Voraus keine spezielle Eingrenzung geben. Sie sollten sich also auf ein breites Spektrum von Fragen vorbereiten.

Wie wird meine Leistung bewertet?

Ihr schriftliches Ergebnis wird doppelt gewichtet, während die mündliche Ergänzungsprüfung einfach gewichtet wird. Zum Bestehen benötigen Sie im Durchschnitt mindestens 150 Punkte insgesamt, was 50 Punkten entspricht.

Beispiel:

Angenommen, Sie haben ein schriftliches Ergebnis von 40 Punkten.

Das schriftliche Ergebnis wird doppelt gewichtet, also 2 * 40 = 80 Punkte. Um insgesamt 150 Punkte zu erreichen, benötigen Sie aus der mündlichen Ergänzungsprüfung noch 70 Punkte.

Kann ich die mündliche Ergänzungsprüfung nutzen, um meine Noten zu verbessern?

Leider nein. Eine mündliche Ergänzungsprüfung ist nur für nicht bestandene Fächer zulässig. Wenn Sie jedoch eine schriftliche Wiederholungsprüfung beantragen, können Sie auch bereits bestandene Fächer wiederholen, wobei dann das zuletzt erzielte Ergebnis zählt.

Praktische Tipps für Ihre mündliche Ergänzungsprüfung

Es ist völlig normal, nervös zu sein, wenn man sich einer mündlichen Ergänzungsprüfung stellt. Aber es gibt einige Tipps und Strategien, die Ihnen helfen können, sich besser vorzubereiten und während der Prüfung selbstsicherer zu sein:

  • Verständnis der Prüfer: Denken Sie daran, dass die Prüfer in der Regel wohlwollend sind. Ein bisschen Aufregung und kleinere Verhaspler sind nicht schlimm. Tatsächlich wäre es eher ungewöhnlich, wenn Sie überhaupt nicht nervös wären. Die Prüfer sind es gewohnt, den ganzen Tag aufgeregte Prüflinge zu sehen, und verstehen Ihre Situation.

  • Keine Frage unbeantwortet lassen: Wenn Sie eine Frage nicht direkt verstehen oder unsicher sind, lassen Sie sie nicht unbeantwortet. Es ist immer besser, um Klärung zu bitten, wenn Sie etwas nicht verstehen. Fragen Sie, ob die Frage vielleicht anders formuliert werden kann. Oft werden die Prüfer versuchen, die Frage wohlwollender oder klarer zu stellen, und manchmal kann die Art, wie die Frage gestellt wird, Ihnen sogar einen Hinweis geben.

  • Auswendiglernen: Es wird empfohlen, mindestens die Stöhr-Zusammenfassungen auswendig zu lernen. Sie sind besonders hilfreich, wenn Ihnen einige Grundlagen fehlen. Diese Zusammenfassungen bieten eine kompakte Übersicht über die wichtigsten Informationen und indem Sie sie lernen, können Sie in kurzer Zeit alle wesentlichen Grundlagen abdecken. Ihr Ziel sollte es sein, am Prüfungstag ein wandelndes Lexikon zu sein. Sollten Sie mehr Zeit und gute Mitschriften/Karteikarten besitzen, dann sollten Sie diese primär verinnerlichen.

Warum die mündliche Ergänzungsprüfung für viele einfacher ist

Es mag überraschend klingen, aber für viele Prüflinge erweist sich die mündliche Ergänzungsprüfung als weniger herausfordernd als die schriftliche. Hier sind einige Gründe, warum:

  • Weniger Rechenaufgaben in Rechnungswesen: Ein häufiger Grund für das Nichtbestehen im Fach Rechnungswesen sind die komplexen Rechenaufgaben. In der mündlichen Prüfung wird jedoch nahezu nie von den Prüflingen verlangt, solche Aufgaben durchzuführen. Stattdessen liegt der Schwerpunkt auf dem Verständnis der Theorie und der Anwendung von Konzepten. Daher kann es ausreichen, sich intensiv mit dem relativ geringen Stoff, der im Rechnungswesen auswendig gelernt werden muss, auseinanderzusetzen.

  • Zeitdruck bei Recht und Steuern: Bei der schriftlichen Prüfung im Fach Recht und Steuern kämpfen viele Prüflinge mit dem Zeitdruck, da es oft nicht genügend Zeit gibt, um ausreichend in den Gesetzestexten nachzuschlagen. In der mündlichen Prüfung ist das Mitführen von Gesetzestexten jedoch nicht erlaubt, was dazu führt, dass sich die Fragen in der Regel auf die Grundlagen von Recht und Steuern konzentrieren. Dies kann für Prüflinge, die die Basics gut verstanden haben, vorteilhaft sein.

  • Fokus auf Auswendiglernen, Verständnis und Zusammenhänge: In allen Fächern, ist es von entscheidender Bedeutung, so viel wie möglich auswendiggelernt zu haben und die Zusammenhänge zu verstehen. 

  • Spezifische Vorbereitung: Ein weiterer Vorteil der mündlichen Ergänzungsprüfung ist, dass sich die Prüflinge nur auf ein spezifisches Fach konzentrieren müssen, im Gegensatz zur schriftlichen Prüfung, bei der sie sich auf vier Fächer vorbereiten müssen. Dies ermöglicht eine tiefere und gezieltere Vorbereitung.

Insgesamt kann die mündliche Ergänzungsprüfung, trotz ihrer eigenen Herausforderungen, für viele eine willkommene Gelegenheit sein, ihre Kenntnisse in einem entspannteren Umfeld zu demonstrieren und so nicht ein halbes Jahr später in die schriftliche zu müssen.

Die häufigsten Fragen/Themen in der mündlichen Ergänzungsprüfung

Rechnungswesen

Grundlagen, Bilanz

  • Gliederung und Erläuterung des internen und externen Rechnungswesens
  • Was ist eine Bilanz und wie ist sie gegliedert
  • Anderes Wort für „Aktivseite/Aktiva/Mittelverwendung“ und „Passivseite/Passiva/Mittelherkunft“
  • Jahresabschluss: Bestandteile; Bilanzstruktur
  • GuV
  • Erläutern von Abschreibungen
  • Erklären von Aktiv-,Passivtausch, Aktiv-Passivmehrung und Minderung
  • Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung
  • Bewertungsgrundsätze (z.B. Niederstwertprinzip)
  • Rentabilitätskennziffern
  • Was sind Rückstellungen und Rücklagen (mit Beispiel)
  • Erklären der Betriebsstoffe, Rohstoffe und Hilfsstoffe sowie sortieren dieser nach Gemein- und Einzelkosten + Beispiel nennen

Kostenrechnung

  • Erklärung von variablen und fixen Kosten, Einzel- und Gemeinkosten, sowie Zusatz-, Anders- und Grundkosten anhand von Beispielen
  • Einzahlungen, Auszahlungen, Einnahmen, Ausgaben
  • KLR: Abgrenzung zur FiBu; Anders-Kosten; kalkulatorische Kosten; Arten-, Stellen- und Trägerrechnung
  • Unterschied und Zweck der Vollkosten- / Teilkosten-Rechnung
  • Definitionen Deckungsbeitrag, Break-even; Erläuterung der DB-Rechnung und Nennung des Rechenwegs
  • Erklären der kurzfristigen und langfristigen Preisuntergrenze
  • Was ist die Äquivalenzkalkulation – warum wendet man diese an? Was wendet man sonst an, wenn man keine Sortenfertigung hat?

Recht und Steuern

Rechtliche Grundlagen

  • Natürliche und juristische Personen: Definitionen und Unterschiede
  • Geschäftsfähigkeit: Erklärung, Unterschiede und Beispiel (z.B. 16-jähriger kauft Auto – Darf er das?)
  • Rechts- und Geschäftstätigkeit: Bedeutung für den Kaufvertrag
  • Nichtigkeit von Verträgen
  • Taschengeldparagraph

Vertragsrecht

  • Zustandekommen von Kaufverträgen allgemein
  • Rechte bei Mängeln im Kaufvertrag: Nacherfüllung, Schadensersatz etc.
  • Kündigungsrechte und zugehörige Fristen

Steuern

  • Unterschied zwischen indirekten und direkten Steuern
  • Umsatzsteuer: Erklärung und Beispiele
  • Vorsteuer: Erklärung und das Verfahren des Vorsteuerabzugs
  • Unterschied zwischen Steuerschuldner und Steuerträger, erläutert anhand von Lohnsteuer und Einkommensteuer
  • Arten von Steuern: z.B. Realsteuer, Verkehrsteuer, Grundsteuer
  • Welche Steuern ein Unternehmen zahlen muss
  • Unterschied zwischen Steuern und Gebühren

Unternehmensführung

Organisation und Struktur

  • Betriebsorganisation
  • Ablauf-/Aufbauorganisation: Definition und Unterschiede
  • Liniensysteme
  • Typische Gruppenstrukturen: Informeller Führer etc. – Wer bestimmt die Rollen? Wer bestimmt die Rollen in einer formellen Gruppe?
  • Informelle vs. Formelle Gruppen: Definition und Unterschiede
  • Planungshorizont: strategisch, taktisch, operativ

Management-Techniken und -Werkzeuge

  • Management by Techniken
  • Netzplantechnik: Anwendung, Unterschiede zu Flussdiagramm
  • Merkmale des Netzplans: z.B. Pufferzeit und kritischer Weg

Unternehmensidentität und -vision

  • Unternehmensleitbild: Definition und Vision
  • Corporate Identity: Definition und Beispiele

Personalmanagement

  • Personalbeschaffung
  • Personalführung
  • Führungsstile
  • Motivation (z.B. Herzberg, Maslow)

Betriebswirtschaftslehre & Volkswirtschaftslehre (BWL/VWL)

Marktmechanismen und Preisbildung

  • Mindestpreis/Höchstpreis/Gleichgewichtspreis mit Zeichnung des Marktgleichgewichts und Nennung von Auswirkungen
  • Preis-Mengen-Diagramm
  • Minimal- und Maximalprinzip

Unternehmensgründung und -struktur

  • Möglichkeiten für Unternehmensgründung(en) inkl. Haftung, Gründung etc.
  • Erklären des Businessplans und Benennen der Bestandteile
  • Unternehmensformen 
  • Existenzgründung
  • Rechtsformen und deren Unterschiede
  • Kooperationen und Konzentration
  • Erklären der vor- und nachgelagerten Abteilungen/Prozesse und Nennen der Zusammenhänge

Makroökonomie

  • Ausführliches Erklären des Magischen Vierecks und Sechsecks
  • Fiskalpolitik/Geldpolitik
  • Bruttoinlandsprodukt
  • Inflation: Bedeutung, Berechnung, Auswirkung und Korrekturmaßnahmen
  • Höhe des Leitzins und Erklären der Aufgaben der EZB

Staatliche Regulierung und Einfluss

  • Kartelle: Warum sind diese verboten und welche sind erlaubt?
  • Folgen, wenn der Staat als Anbieter auftritt
  • Benennen der Einflussmöglichkeiten des Staates auf den Import/Export und Nennung möglicher Gründe

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